Alan T Warsaw Foto von Grzesizk Mart

Alan T.

Genreübergreifendes Musikwerk für Musiker:innen und Avatare

Am Freitag, 19. Mai, wird in der Bremer Shakespeare Compagnie das Musiktheater „Alan T“ des französischen Komponisten Pierre Jodlowski während des realtime-festivals aufgeführt.

Das genreübergreifende Kammermusikwerk ist für eine Sängerin, einen Schauspieler (männlich), fünf Musiker:innen und audiovisuelle Apparate konzipiert. An der Schwelle zum Operngenre angesiedelt, bewegt sich der Abend zwischen theatralischer Erzählung, rein musikalischen und gesungenen Sequenzen und Gesprächen mit Avataren.

Jodlowski erzählt in dem einstündigen Werk die letzten Tage des englischen Mathematikers Alan Turing (1912-1954). Turing dechiffrierte im 2. Weltkrieg die Enigma und gilt als Vater der Informatik. Hoch anerkannt als mathematisches Genie und doch letztlich wegen seiner Homosexualität Opfer des puritanischen Englands seiner Zeit. 1952 wurde er zur chemischen Kastration verurteilt. Alan Turing beendete sein Leben im sozialen Abseits und von der Gesellschaft ausgeschlossen, als Einsiedler in einer Ein-Zimmer-Wohnung, in der er im Alter von 42 Jahren unter noch nicht vollständig aufgeklärten Umständen starb. Erst Weihnachten 2013 wurde der Wissenschaftler von der britischen Krone rehabilitiert.

Das Libretto des Stücks verfasste der deutsche Autor und Buchpreisträger Frank Witzel. Der in sechs Teile gegliederte Text zeigt uns Turing – verkörpert von dem deutschen Schauspieler Thomas Hauser – in der Dämmerung seines Lebens: Allein, in seiner Wohnung, die er selbst „Nightmare Room“ nannte, erinnert er sich an seine Kindheit, seine Untersuchungen zum Thema Maschinen und künstlicher Intelligenz, die er selbst erfunden hat, und an seinen Prozess aufgrund seiner sexuellen Orientierung und Ausschluss aus der Gesellschaft.

Die musikalische Umsetzung erfolgt durch das renommierte Ensemble Nadar mit der Sopranistin Joanna Freszel.

FR| 19. Mai 2023
19.45 Uhr Einführung durch Prof. Dr. Frank Kirchner, Direktor des DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz)
20.00 Uhr Konzert
Shakespeare Company Bremen

Künstler:innen.
Pierre Jodlowski – Konzeption, Komposition, Inszenierung
Joanna Freszel – Sopran
Thomas Hauser – Schauspieler
Nadar Ensemble (bel) – Dries Tack (Klarinette), Kobe Van Cauwenberghe (Gitarre), Katrien Gaelens (Flöte), Thomas Moore (Posaune), Winnie Huang (Violine)
Yann Philippe und Matthieu Guillin – Live-Kameras
Werk: Alan T. (2021) von Pierre Jodlowski mit einem Libretto von Frank Witzel

Tickets: 40 €
ermäßigt: 12 €
(ermäßigt sind alle Menschen bis 30 Jahre, Auszubildende, Studierende, Rentner*innen, Erwerbslose und Schwerbeschädigte)

Hintergründe

Bühnenkonzept:
Die Bühnenarbeit selbst basiert auf dem Konzept der Ambiguität zwischen Mensch und Maschine. Die Bühne ist in zwei Hauptbereiche unterteilt: hinten die reale Welt, bestehend aus Elementen aus Turings Wohnung (Schreibtisch, Bücherregal, Bett…). Der Protagonist wandert durch den Raum, vertraut sich einem Aufnahmegerät an, macht sich Notizen, konsultiert sein Archiv…
Hinter der Bühne die Maschine: ein halbkreisförmiger Raum, der durch transparente Paneele abgegrenzt und mit einem riesigen technischen Apparat (Computer, Projektionswände, Kabel) gefüllt ist. In diesem kalten, technologischen Raum sind die fünf Musiker gewissermaßen Operatoren, deren Arbeit in einer feindseligen, komplexen Umgebung aus Klängen, Lichtern und Videobildern stattfindet. Dabei hat jeder Musiker einen eigenen Avatar, der über ein eigens für das Projekt erstelltes Programm gesteuert wird.

Die Sängerin oszilliert zwischen diesen beiden Welten: Wiederverbunden mit der realen Welt, wenn sie in der Wohnung an einem Dialog mit Turing teilnimmt, und darüber hinaus aktive Teilnehmerin am Betrieb der Maschine während der gesungenen Sequenzen, in denen ihre Stimme ertönt wird multipliziert und mit den elektronischen Texturen verschmolzen.

An der Schwelle zum Operngenre angesiedelt, bewegt sich das Projekt zwischen theatralischer Erzählung, rein musikalischen und gesungenen Sequenzen und Gesprächen zwischen Avataren.

Der Komponist PIERRE JODLOWSKI
Pierre Jodlowski ist Komponist, Performer und Multimedia-Künstler. Seine oft von hoher Dichte geprägte Musik steht an der Schnittstelle von akustischem und elektrischem Sound und ist geprägt durch dramatischen und politischen Anker.
Seine Arbeit als Komponist führte ihn in Frankreich und im Ausland zu den Orten, die sich der zeitgenössischen Musik sowie anderen künstlerischen Bereichen wie Tanz, Theater, bildender Kunst und elektronischer Musik widmen. Seine Arbeit entfaltet sich heute in vielen Bereichen: Film, interaktive Installationen, Inszenierung. Er definiert seine Musik als einen «aktiven Prozess» auf der physischen Ebene [musikalische Gesten, Energie und Raum] und auf der psychologischen Ebene [Beziehung zur Erinnerung und visuelle Dimension des Klangs].
Parallel zu seinen Kompositionen tritt er auch in verschiedenen Szenen auf (experimentell, Jazz, elektronisch), solo oder mit anderen Künstlern.

Das ENSEMBLE NADAR
Das Nadar Ensemble wurde 2006 von einer Gruppe junger Musiker gegründet, die ein gemeinsames Interesse und eine gemeinsame Leidenschaft für zeitgenössische Musik teilen. Als Name für das Ensemble wurde eine Anspielung auf den echten Nadar gewählt: das Pseudonym des Fotografen Gaspard-Félix Tournachon (1820-1910), dessen multidisziplinäres Talent und Abenteuergeist das Ensemble darstellen möchte.
Das Nadar Ensemble tritt in Konzertsälen und Festivals im In- und Ausland auf, 2014 zum dritten Mal bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt auf. 2015 brachte Nadar RECHT – Economies of Trade II, ein Musiktheaterstück von Hannes Seidl und Daniel Kötter zur Uraufführung in Frankfurt, Gent und Berlin. Während der Donaueschinger Musiktage 2015 hat Nadar Mirror Box Extensions von Stefan Prins und Bluff von Michael uraufgeführt Beil und Thierry Brühl. Im Jahr 2016 Nadar arbeitete mit Sergey Khismatov, Alexander Khubeev, Alex Nadzharov und Marina Poleukhina für Lesaserma Pokhunakhis zusammen, ein multidisziplinäres Konzert über eine vergessene russische Schriftstellerin.
Von 2017 bis 2021 war Nadar Artist in Residence im Concertgebouw Brugge und arbeitete regelmäßig mit deSingel, dem Klara Festival und dem Transit Festival zusammen. Gemeinsam mit MATRIX [Neues Musikzentrum] Nadar organisiert jährlich eine Sommerakademie für junge Musiker (14 bis 20 Jahre). 2019 organisieren deSingel Antwerpen und Nadar die 2. Ausgabe einer internationalen Sommerschule für junge Komponisten.
Das Nadar Ensemble wird von der flämischen Regierung und der Stadt Sint-Niklaas unterstützt.

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